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Sonntag, 21. Januar 2018

Schicksals Trampelpfad


Kronstadt, Schlossberg, Juli 2017
Drei Wochen füllt dieses Jahr schon? Kaum zu glauben, und kaum ergebnisreich, wenn sie den Hals nicht voll genug kriegen mit irgendeinem Bronchialvirus. Fünf Monate dagegen... sind lang, findet im letzten Frühjahr eine Optimistin. Unendliche Stunden, hundertfünfzig Tage! Doch sieht sie bald: fünf Stadtschreiberinnenmonate sind auch kurz. Sind eben fünf. Noch weniger als die Finger einer Hand, in einer Gegend, in der Uhren Ewigkeit messen, wie man sagt, und Brunnen anders rauschen, Zeit anders rinnt. Bald nach Ankunft im Mai hatte sich eine Optimistin diese Siebenbürgische Elegie bereit gelegt wie eine melancholische Praline, bereit gelegt für den September, um sich damit zu verabschieden nachher. Selten passt eine teilverlassene Landschaft so in ein Gedicht, und selten passt ein Dichter, ein Meschendörfer, so in die Historie einer Stadt. Doch im September nachher... fehlte für Pralinen die Zeit. 
Ja, für ein vielleicht nächstes Stadtschreiberinnen-Amt sollte Zeit anders rinnen, Familienpflichten auch, und am Schreibtisch sollte ohne ältere Aufträge und Bürokratie Tabula rasa sein. 
Salopp gesagt: Das wird schon. Wenn Fortuna will. Oder: Was sein muss, wird sein? Kronstadt, Juni 2017

Selbst ohne diesen Idealrahmen war in und um Kronstadt so viel zu sehen. Zu hören. Zu lernen. Zu sammeln. Ist vollständig davon hier zu lesen, auf diesen vom Deutschen Kulturzentrum Östliches Europa bereitgestellten Internettagebuchseiten? Nein. Für manche melancholische Praline wurde die Zeit zu knapp, für manche rumänische Suppe, Țigani-pikante Soße, manchen süßsächsischen Hanklich. Aber all diese Geschichten (oder beste Zutaten und Bilder) sind gesammelt in Ordnern, Dateien, Hinterkopf-Ecken, und sollen noch bereitet und angeboten werden auf diese oder jene Weise. 
Wie es auch schon geschah. Gleich in den ersten, tatendurstig beeindruckten Wochen, oder später. In InterviewsArtikeln, Veranstaltungen. Vor Ort oder zurück in Deutschland. Bei Lesungen in der Hauptstadt und Filmpremiere in Potsdam. Vor Denkmalschutzsympathisanten und Cinephilen. Zuletzt Ende 2017 vor Rumänienkennern in Berlin Charlottenburg und vor Freunden des gesetzten bürgerlichen Engagements, tief in Brandenburg, im Friedrichschen Kloster Zinna mit kleiner Königsstatue und großem, flugfähigem (Rotarier-)Fisch.
Übertisch-Hünenfisch zwischen Berlin und Leipzig. "Alte Grafschaft" Kloster Zinna, 11 2017

Eine persönliche, in die Gesichter von Menschen und Geschichte blickende Rückschau mit dem Titel "Kronen aus Noten, Not und Holz und Licht" ist am 26.12.2017 in der Siebenbürgischen Zeitung Online erschienen, eine kürzere Fassung gestern in der Druckausgabe. 
Bild- und andere Eindrücke auch aus Kronstadt finden sich außerdem auf der detailreichen Internetseite der Optimistin a.D.. 
Und sollte mal Zeit ein wenig langsamer rinnen, sollte ein bisschen Zeit am Tagesende übrig bleiben. - (Oder gar ein Verlag oder wer einen Auftrag vergeben, durch den etwas leider nötiges Täglichbrot finanziert, und Zeit begründet gestohlen werden könnte.) - Dann, mindestens dann, erzählt die Ex-Stadtschreiberin auch im aktuellen Jahr gern mehr und anders und intensiver von einer beeindruckenden Region, einem inspirierenden Land. 
Oben ragende Natur und Frühhistorie, unten Holzkohlefeuer an Holzkohlefeuer. Salomonsfelsen Kronstadt, 6 2017

Dass Schicksals Trampelpfade hier abkürzend durch manches Dickicht führen, kann sie sich gut vorstellen. Nicht nur unter den aufwendig von Grill- und Tanz- und Folklorereiterstationen gezähmten Salomonsfelsen. Nicht nur fern am Schwarzen Meer, in Ovids Sterbestadt. Und nicht nur an Wochenenden wie gerade jetzt diesem, an denen wieder, wie seit mindestens einem Jahr, Zigtausende mit ihrem Land Rumänien ringen, und in Bukarest wie in Hermannstadt oder Kronstadt auf die Straße gehen gegen Regierung und Korruption. 

Hält er noch, der Antijustiz-Selbstbauheiligenschein vieler (PSD-)Politiker? Kronstadt 7 2017


Nun denn, allen Lesern, Leserinnen, allen tapfer in eine aufrechte Zukunft Schauenden: gute Wünsche für gesunde, gedeihliche Monate und funktionierende Pfade

Ob das hüstelnd begonnene Jahr eine Optimistin a.D. zurück nach Kronstadt führt? Fortuna wird´s wissen. 
Sorgenvoller Blick zum Schicksalstrampelpfad? Kellergesicht in Kronstadt, 9 2017

Gegen ein Wiederkommen jedenfalls hätte die Autorin nichts. Vom Siebenbürgenvirus spätestens in einem langen Sommer angesteckt, und gefühlt nun wohl für die Ewigkeit Stadtschreiberin Kronstadt/Brasov
       

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Samstag, 21. Oktober 2017

Daumenkino oder Mann im Kleid


Was, Rumänientuch, versteckst du da?
Einen Berg? Fels? Ein feste Burg?
Und Wind. Sonne. Schatten, burggroß, hofgroß. Auf neuem Kies.
Und hie und da ein Stück Europablau.
Hinten, zwischen Fahnenrot und gotischen Fenstern... ein Sockel im Schatten, ein Schattenmann.
Und: Arm-Schräg-Hoch? Ein Deutscher Gruß?
Oder... nein. Danke, Wind.

Sockel, MetallMann sind älter als ein Hitlergruß.
Der Denkmal-Arm also grüßt nicht. Er zeigt.
Honterus´Arm zeigt zweimal hier, am Kirchentag 30.9.2017: zur Reformationsausstellung in der Honterusschule
Und manche folgen dem Finger. Manche stromern anderslang.
Zu Stadtmauertürmen, zum Markt, zum großen Brunnen, zu hundert Cafés.
Oder links und rechts durch einen Kirchentag?
Zu Ehren einer festen Burg im Festtagskleid.
Buffettische um den Sockel der Schwarzen Kirche, 30.9.17. Gegenüber das "Blaue Haus" der Kirchenleitung, hinten altes Gebäude der Honterusschule 
Und der Mann im Kleid? Regt er sich auch?
Die Stadt ehrt ihn, Honter, Honterus, den Sockelmann im Mantelkleid, mit einem Septemberende-Fest.
Die Stadt ehrt ihn: mehr als eine Viertelmillion Menschen!?
Nun...
Große Schatten... und Archivare auf dem Weg durch den Kirchentag zur Arbeit. Unter anderem. 
Einige hundert tun´s: Gäste, Offizielle, Kirchentagstouristen. Die Schwarze Kirche, deren Gemeinde Honterus´ Namen trägt und knapp tausend Seelen. Die zweite deutschsprachige, evangelische Gemeinde der Stadt, Bartholomä, zählt keine zweihundert. Und wie viele überhaupt finden sonntäglich in die Kirchenbänke? Die nicht, die zu alt sind, zu krank. Die nicht, die zu jung sind, zu zweifelnd, zu beschäftigt. Nicht mehr alle Siebenbürger Sachsen sind so religiös, wie das Klischee das denkt. Und mit ihnen, und ohne sie  -  die Minderheit ist klein.
Die überwältigend meisten Kronstädter heute sind orthodox. Und feiern andere Feste.
Orthodoxe Junii aus der Oberen Vorstadt, Mai 2017. Trachtkleider historisch siebenbürgisch-sächsisch und auch osmanisch inspiriert.
Selbst ein Oktoberfest(!), Mitte September, ist in der Karpatenbogenstadt unübersehbar. Wie ein properes, rotwangiges, rumänisch-deutsches Kind. Dem leuchtenden Spielzeugkrug nach: ein Hünenkind.
Hünen-Bierkrug wirbt für regionales Bier, auf der Relaxwiese des Oktoberfests Kronstadt 2017
So ganz anders als der ernste, hagere, ebenso deutsch-rumänische Stiefbruder "Kirchentag". Der bewusst un-schwülstig, klar, protestantisch sein will.
Das Fahnen-Fenster gehört zum Honterusgymnasium. Genau wie Feuerlöscher und Kunstunterrichtslöwe.
Und was sagt zu solcher Nüchternheit ein rumänischer Schul-Löwe, gegenüber von Kirche und Denkmal? Was sagt ein Land, dessen Banknoten Lei, "Löwen", sich mit Blumen schmücken und mit Musendingen?
Ganz von Bord (oder Berg) wirft der rumänische Löwe (oder Bär) es wohl nicht, das deutsche Siebenbürger-Sachsen-Erbe. Aber immer schultern mag er´s auch nicht. Hat genug andere Päckchen und Truhen zu tragen. Mindestens 18.
Biologiekabinett des Honteruslyzeums, 9 2017. Honterusbüste links. (Privatbesitz des früheren Direktors und Biologielehrers Wagner)
So werden überkommene Werte und Geschichte mitgeschleppt, irgendwo abgestellt. Am Ehrenplatz mal, mal in der Abstellkammer. Mal werden Kisten vergessen, so, wie die traurigen, wartenden Sachsenhäuser. Mal wieder kümmert sich wer, staubt ab hie und da, betont, wie solide gebaut so eine alte Truhe war.

Am häufigsten aus der Truhe geholt wird die deutsche Sprache. Auch hier, hinter dem Fahnen-Fenster. Vorrangige Unterrichtssprache des Honterus-Lyzeums ist deutsch.
Dennoch: eine rumänische Schule. Rumänisch dringt aus den Fenstern. Schüler, die auch zuhause deutsch sprechen, sind rar.
Etage höher: Renaissanceportal, das in die Schule versetzt die Zeiten überlebt hat. (Ungenutzter Eingang zur Aula) 
Wie so eine Traditionelle-Werte-Kiste wird auch die Stadtschreiberin in die Aula gelassen. Sie, und die offizielle Abschlussveranstaltung mit ihr und den Stipendiengebern. Zwei, drei Schulklassen holt man dazu, eine Lehrerin. Der Schuldirektor bricht sich am Vortag das Bein, und bleibt so fern, wie wohl auch eine Vorbereitung für die Schüler.
Tja, was sollen nun rumänische Schüler mit diesen für sie alltagsfernen deutschen `Hochkultur´- Kisten? So ohne Bedienungsanleitung...?
Informationstafel am Evangelischen Pfarramt (gleich neben der Schule) am Kirchentagswochenende. Extra und lange geläutet wird auch für ausgewanderte, in Deutschland verstorbene Kronstädter Sachsen; wenn Angehörige dies wünschen und bezahlen
Es ist auch schwierig.
Selbst aus der Schwarzen-Kirche-Gemeinde hört man, dass der Kronstädter Honteruskult übertrieben sein könnte. Der kirchliche jedenfalls.
Für Bildung hat der Schul-Namensgeber viel getan, die erste Siebenbürgen-Karte herausgegeben, Buchdruck und Reformation und sogar dem Theater den Weg nach Siebenbürgen geebnet.
Aber die Welt war schon damals groß. (Honterus selber hat auch sie beschrieben...)
Und nicht jedes umfassende Werk zur Reformation bezieht bei soviel Welt H. oder Kronstadt überhaupt mit ein.
Aus dem Reformations-Lesezimmer der Honterusgemeinde: "Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation". - Ohne H. und Kronstadt.
Der Stadt seinen Stempel aufgedrückt hat er dennoch, so oder so.
Gernot Nussbächer: "Honterus - Sein Leben und Werk im Bild". (Und unten ein Daumenkinodaumen.)
Stempel und Wurzel.
(Name und Wappenwurzel kommen, sagt man, von Holler, Holunderstrauch.)
Wie viele Schülermützen der im Schulfoyer stehende H. wohl schon trug? Hier die von Archivar und Forumsvorsitzendem Thomas Sindilariu, auch einem ehemaligen Honterianer natürlich.
Und nun stempeln Stadt und Land eben zurück.
Tja und so zum Beispiel könnte es weitergehen, für H., die deutsche Minderheit und ihre Kirche. Mit Offenheit, gelegentlich, für verschiedene Tücher, Mützen, Kleider.


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Mittwoch, 24. Mai 2017

Große Hoffnung, kleines Grün


Klee, Halme, Löwenzahn. Ein nicht zu englischer Rasen. Jenseits: der gut befahrene Sirul Ludwig van Beethoven, und dahinter, als schmalschultriger Verkehrspolizist, die Statue des Komponisten der früheren rumänischen Hymne (und der albanischen auch). Diesseits des Rasens, ihr Name hoch wie die Bäume ringsum, die Facultatea de Silvicultură şi Exploatări Forestiere der Universitatea Transilvania din Braşov. Frühling leuchtet an der blassgelben Fassade der Forstfakultät.

Und doch ist irgendetwas anders.

Klee, Halme, Löwenzähne bekommen eine Brücke angebaut, und, tja, einen grünen Teppich.

Erhebend muss das sein, staatstragend.

Und Staatentragen braucht nicht zuletzt Geduld. Eine Menge.

Wartezeit wie fürs Gras-wachsen-Hören.

Ein Mü Ratlosigkeit wohl auch.

Eine Prise Memento Mori.

Oder Demut.

Anmut, Mühe.

Und dann …


Ein `Guten Tag´ der Halme, und er betritt tatsächlich den grünen Teppich: der Staat.

Oder doch der Staatspräsident (dritter von links). Ihm reicht das Bäumchen, das er pflanzen soll, vielleicht nur bis zum Knie. Den Halmen aber und dem Klee scheint es jetzt schon kuppelhoch. Und soll mal eine Eiche werden, ein bedeutender Baum auch im (noch) waldreichen Rumänien.

Muße, sich mit großen Gesten für ein symbolisches Geschenk aufzuhalten, hat der Präsident nicht.


Klaus Johannis, früher Physiklehrer, deutschsprachiger, dann Bürgermeister im unter ihm erfolgreichen Sibiu / Hermannstadt. Ein Siebenbürger Sachse, der es trotz Minderheitenstatus 2014 ins Amt des rumänischen Staatspräsidenten geschafft hat.


Die Achtung vieler Rumänen hat er sich erkämpft, auch oder weil er manchmal hölzern wirkt. - Unbestechlich, sagt man, prinzipienfest, höhere Werte im Blick. Auch wohl die Aktion Plant for the Planet. Symbolhaft für eine bessere Zukunft (nicht nur für Rumäniens legal und illegal ausgebeutete Wälder) wird an diesem 22.Mai 2017 das zweimillionste Bäumchen allein in Rumänien gepflanzt. Beim einmillionsten war Prince Charles dabei.

Klee, Halme, Löwenzahn sind geknickt, wie schnell die schwarze Limousine dann wieder abfahren muss. 

 
Werden Licht und Wasser genug sein? Es braucht noch zigtausende zierliche Bäumchen, um nicht die Hoffnung zu verlieren. Um sie weitergeben zu können an Leute und Land, das mit sich selbst, mit betonturmdicken, selbstverliebt bestechlichen, meist roten Seilschaften ringt. Im Januar, auf dem Höhepunkt des Aufschreis gegen die sozialliberale Regierung um Ministerpräsident Grindeanu, die sich eitel korruptions-akzeptierende Gesetze schneidern wollte  -  da stellte er sich mit auf die Straße, eichen-eigen. Johannis, der liberalkonservative, EU-freundliche Staatspräsident. Als Teil der größten protestierenden Menschenmengen, landesweit, seit dem Dezember 1989.

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Mittwoch, 10. Mai 2017

Nun da, eu hier (Teil 1)

War damit zu rechnen? Gewiss. Oder?


Was für ein Empfang. Mit Transparent. Here, Now. Ja, ich bin da. Unter einer der größten Fahnen der Welt, einem Wasserfall von Fahne.



Im Regen ersaufen? Macht sie nur kräftiger; schwerer sowieso. Gelb leuchtet, Blau ist geerdet, wurzelfunkt zu den nahen Bergen.




Und vielleicht sind die Rathausbalkonkinder doch nicht für mich rübergekommen von der deutschen Honterusschule. Vielleicht ist die Fahne doch nicht für mich gehisst. Vielleicht singen die tapferen Balkonkinder im Regen für Europa.
Europatag am Alten Rathaus von Kronstadt, so der deutsche Name; rumänisch: Brasov.
In Vorjahren gab es um diesen 9. Mai Bühnen und Tänze und ein Fest. Aber dieses Jahr gab es schließlich, in Kronstadt wie Bukarest, schon die größten europafahnenhaften Demonstrationen seit der Wende. Und viel Sonne, viel Regen.
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