Freitag, 2. März 2018

Flammende Rede fast ohne Worte


Glückliche Helden? Kronstadt, Oktober 2017
Wände sprechen mit mir. Sonderbar? Vielleicht. 
Auch Menschen sprechen mit mir, alte, jüngere, traurige, glücklichere, gerade, schrägere. Helden? Wer weiß. Selten. Ich höre zu, so oder so. Und gerne. Und sammle, für später
Und sehe.    
Friedhofswand-Fackel spricht vom tragischen Helden L.B., Kronstadt, August 2017
Sehe zum Beispiel an manchen Kronstädter Wänden ein Fahnenrot, das Römerblut und Feuer sein will. Mal ist es runenseltsam, mal winterblass; verwaschener Stofffetzen, hängengeblieben an Graffitidornen. Von einem Helden per Gesetz will diese rotschwarze Fackel erzählen. Oder von einem, der nicht gegen Wände laufen wollte. Von einem, der, statt sich ins Conducator-Land weiter zu fügen, auf traurigen Brettern einen Schneehang runter fuhr. Zwischen entsetzten Skitouristen. Ganz runter, brandverzweifelt, bis ans Ende. Flammenzeichen. Fanal, final. In brennenden Händen Schreie auf Pappe, hitzige Wörter, drei, vier. Von der Piste geschafft, schnell. Bei Bewusstsein, noch. Spital. Geheimdienst. Nach kurzen Stunden: tot. 
Vor taggenau 29 Jahren. 

Und Conducator Ceausescu, realitätsblinder Dompteur, "Titan der Titanen"? Schusswundenblutig im Staub, keine zehn Monate nach dem Flammenschrei gegen sein System.   


Teilen

Sonntag, 21. Januar 2018

Schicksals Trampelpfad


Kronstadt, Schlossberg, Juli 2017
Drei Wochen füllt dieses Jahr schon? Kaum zu glauben, und kaum ergebnisreich, wenn sie den Hals nicht voll genug kriegen mit irgendeinem Bronchialvirus. Fünf Monate dagegen... sind lang, findet im letzten Frühjahr eine Optimistin. Unendliche Stunden, hundertfünfzig Tage! Doch sieht sie bald: fünf Stadtschreiberinnenmonate sind auch kurz. Sind eben fünf. Noch weniger als die Finger einer Hand, in einer Gegend, in der Uhren Ewigkeit messen, wie man sagt, und Brunnen anders rauschen, Zeit anders rinnt. Bald nach Ankunft im Mai hatte sich eine Optimistin diese Siebenbürgische Elegie bereit gelegt wie eine melancholische Praline, bereit gelegt für den September, um sich damit zu verabschieden nachher. Selten passt eine teilverlassene Landschaft so in ein Gedicht, und selten passt ein Dichter, ein Meschendörfer, so in die Historie einer Stadt. Doch im September nachher... fehlte für Pralinen die Zeit. 
Ja, für ein vielleicht nächstes Stadtschreiberinnen-Amt sollte Zeit anders rinnen, Familienpflichten auch, und am Schreibtisch sollte ohne ältere Aufträge und Bürokratie Tabula rasa sein. 
Salopp gesagt: Das wird schon. Wenn Fortuna will. Oder: Was sein muss, wird sein? Kronstadt, Juni 2017

Selbst ohne diesen Idealrahmen war in und um Kronstadt so viel zu sehen. Zu hören. Zu lernen. Zu sammeln. Ist vollständig davon hier zu lesen, auf diesen vom Deutschen Kulturzentrum Östliches Europa bereitgestellten Internettagebuchseiten? Nein. Für manche melancholische Praline wurde die Zeit zu knapp, für manche rumänische Suppe, Țigani-pikante Soße, manchen süßsächsischen Hanklich. Aber all diese Geschichten (oder beste Zutaten und Bilder) sind gesammelt in Ordnern, Dateien, Hinterkopf-Ecken, und sollen noch bereitet und angeboten werden auf diese oder jene Weise. 
Wie es auch schon geschah. Gleich in den ersten, tatendurstig beeindruckten Wochen, oder später. In InterviewsArtikeln, Veranstaltungen. Vor Ort oder zurück in Deutschland. Bei Lesungen in der Hauptstadt und Filmpremiere in Potsdam. Vor Denkmalschutzsympathisanten und Cinephilen. Zuletzt Ende 2017 vor Rumänienkennern in Berlin Charlottenburg und vor Freunden des gesetzten bürgerlichen Engagements, tief in Brandenburg, im Friedrichschen Kloster Zinna mit kleiner Königsstatue und großem, flugfähigem (Rotarier-)Fisch.
Übertisch-Hünenfisch zwischen Berlin und Leipzig. "Alte Grafschaft" Kloster Zinna, 11 2017

Eine persönliche, in die Gesichter von Menschen und Geschichte blickende Rückschau mit dem Titel "Kronen aus Noten, Not und Holz und Licht" ist am 26.12.2017 in der Siebenbürgischen Zeitung Online erschienen, eine kürzere Fassung gestern in der Druckausgabe. 
Bild- und andere Eindrücke auch aus Kronstadt finden sich außerdem auf der detailreichen Internetseite der Optimistin a.D.. 
Und sollte mal Zeit ein wenig langsamer rinnen, sollte ein bisschen Zeit am Tagesende übrig bleiben. - (Oder gar ein Verlag oder wer einen Auftrag vergeben, durch den etwas leider nötiges Täglichbrot finanziert, und Zeit begründet gestohlen werden könnte.) - Dann, mindestens dann, erzählt die Ex-Stadtschreiberin auch im aktuellen Jahr gern mehr und anders und intensiver von einer beeindruckenden Region, einem inspirierenden Land. 
Oben ragende Natur und Frühhistorie, unten Holzkohlefeuer an Holzkohlefeuer. Salomonsfelsen Kronstadt, 6 2017

Dass Schicksals Trampelpfade hier abkürzend durch manches Dickicht führen, kann sie sich gut vorstellen. Nicht nur unter den aufwendig von Grill- und Tanz- und Folklorereiterstationen gezähmten Salomonsfelsen. Nicht nur fern am Schwarzen Meer, in Ovids Sterbestadt. Und nicht nur an Wochenenden wie gerade jetzt diesem, an denen wieder, wie seit mindestens einem Jahr, Zigtausende mit ihrem Land Rumänien ringen, und in Bukarest wie in Hermannstadt oder Kronstadt auf die Straße gehen gegen Regierung und Korruption. 

Hält er noch, der Antijustiz-Selbstbauheiligenschein vieler (PSD-)Politiker? Kronstadt 7 2017


Nun denn, allen Lesern, Leserinnen, allen tapfer in eine aufrechte Zukunft Schauenden: gute Wünsche für gesunde, gedeihliche Monate und funktionierende Pfade

Ob das hüstelnd begonnene Jahr eine Optimistin a.D. zurück nach Kronstadt führt? Fortuna wird´s wissen. 
Sorgenvoller Blick zum Schicksalstrampelpfad? Kellergesicht in Kronstadt, 9 2017

Gegen ein Wiederkommen jedenfalls hätte die Autorin nichts. Vom Siebenbürgenvirus spätestens in einem langen Sommer angesteckt, und gefühlt nun wohl für die Ewigkeit Stadtschreiberin Kronstadt/Brasov
       

Teilen

Freitag, 10. November 2017

Treibgut Nachtfehl


Manche Tage hüllen sich in Nebel und moosfilzige Mäntel.
Novembertage, gern. Als wüssten sie, dass manchmal Zurückhaltung passen könnte.

Und trotzdem kann man ausrutschen auf ihrem Gras und ihren feuchten Steinen und Soldatenmüllscherben im alten Laub. Ausrutschen da, wo eine Stadtschreiberin jetzt wieder ein bundesdeutsches Haus hütet: Nicht allzu weit von der Mauer, die vor 28 Jahren zu verschwinden begann. Nicht weit vom Schaufensterprogromkristall, das zerschmissen wurde vor 79 Jahren.
Ausrutschen, schwindlig werden geht gut am wohl deutschesten Datum wie dem gestrigen.
Ausnahmsweise ein Foto nicht aus Kronstadt: Jüngere Geschichte sitzt im Kreis, Wald bei Jüterbog, Brandenburg, 11 2017
Zumal im mager auslaufenden Speckgürtel von Berlin, wo es Wälder gibt, in denen Hügel aus Russenmüllstapeln bestehen und Täler aus Explosionskuhlen und Übungsschützengräben. 
Aber haben nur in Deutschland der Erste, der Zweite Weltkrieg und der Kalte Krieg ihre Spuren ins Land getrieben?
I wo, natürlich weit gefehlt.

Bis nach Rumänien, durch Siebenbürgen sind sie gestürmt, diese Kriege.
Haben auch hier kaputtgeschmissen und totgehauen: Juden etwa, mit teils unheimlichem Fleiß. Und natürlich Soldaten. Rumänische, siebenbürgische, deutsche... . Das Grab, beispielsweise, eines in Stettin geborenen Stadtschreiberinnen-Großonkels wird heute noch bei Temeswar von einer Rumänin betreut.
Museen in Kronstadt oder Deutsch Weißkirch oder Meschen zeigen Welt-Waldkriegsfunde.
Und auch in Kronstadt gibt es Luftschutzbunker aus dem dunklen Bauch des 20. Jahrhunderts. In Karpatenvorhutsfels gekratzt, wie es sich für eine Stadt in den Armen der Berge gehört.
Vor fünf Wochen noch war die Stadtschreiberin da, hat Taschenlampen-Wandermonde am Fels gesehen, ist unter den Raupenberg gestiegen als plastikblauer Treibgutgeist. 
Und weil also alles schwindligmachend mit allem zusammengehört, folgt recht guten Gewissens ein Hörtipp in eigener Sache. Für eine Hörstunde, die in einer Dachkammer unter dem Zinnenwald beendet wurde. Und sich nun eignen könnte etwa für einen solcher nebligen Tage.  
Fotos 1, 3, 4 Kronstadt, Raupenberg. Und... Wandermond.
HÖRTIPP 
Nachtfehl (Eine Zimmerreise) 

Ein Mann, im Rollstuhl wie in einem Treibgutboot. Doch er erzählt. Geschichte. Geschichten. Spannende, aus seinem Leben im Irak und in Ghana, in der BRD, in der DDR und dem Deutschen Reich, das ihm ein Auge ausgeschossen hat. Von Lebensgier erzählt er und von Wissensdurst. Von Revolution und Zweifel, Liebe und Hassliebe, Tagtraum, Nachtalb.
Und immer wieder zwischendurch ein Schreck: Bin ich allein, ist jemand da? Wo ist richtig und wo falsch? Unheimlich, wohin der Kopf so mit uns reisen kann. 

Radiostück von Paula Schneider, 50 Minuten. 
Ursendung heute, 10.11.2017 im Deutschlandfunk, 20:10 Uhr. Mehr Informationen, und genau ab jetzt auch hörbar hier (Deutschlandfunk.de unter Das Feature). 


Teilen

Samstag, 21. Oktober 2017

Daumenkino oder Mann im Kleid


Was, Rumänientuch, versteckst du da?
Einen Berg? Fels? Ein feste Burg?
Und Wind. Sonne. Schatten, burggroß, hofgroß. Auf neuem Kies.
Und hie und da ein Stück Europablau.
Hinten, zwischen Fahnenrot und gotischen Fenstern... ein Sockel im Schatten, ein Schattenmann.
Und: Arm-Schräg-Hoch? Ein Deutscher Gruß?
Oder... nein. Danke, Wind.

Sockel, MetallMann sind älter als ein Hitlergruß.
Der Denkmal-Arm also grüßt nicht. Er zeigt.
Honterus´Arm zeigt zweimal hier, am Kirchentag 30.9.2017: zur Reformationsausstellung in der Honterusschule
Und manche folgen dem Finger. Manche stromern anderslang.
Zu Stadtmauertürmen, zum Markt, zum großen Brunnen, zu hundert Cafés.
Oder links und rechts durch einen Kirchentag?
Zu Ehren einer festen Burg im Festtagskleid.
Buffettische um den Sockel der Schwarzen Kirche, 30.9.17. Gegenüber das "Blaue Haus" der Kirchenleitung, hinten altes Gebäude der Honterusschule 
Und der Mann im Kleid? Regt er sich auch?
Die Stadt ehrt ihn, Honter, Honterus, den Sockelmann im Mantelkleid, mit einem Septemberende-Fest.
Die Stadt ehrt ihn: mehr als eine Viertelmillion Menschen!?
Nun...
Große Schatten... und Archivare auf dem Weg durch den Kirchentag zur Arbeit. Unter anderem. 
Einige hundert tun´s: Gäste, Offizielle, Kirchentagstouristen. Die Schwarze Kirche, deren Gemeinde Honterus´ Namen trägt und knapp tausend Seelen. Die zweite deutschsprachige, evangelische Gemeinde der Stadt, Bartholomä, zählt keine zweihundert. Und wie viele überhaupt finden sonntäglich in die Kirchenbänke? Die nicht, die zu alt sind, zu krank. Die nicht, die zu jung sind, zu zweifelnd, zu beschäftigt. Nicht mehr alle Siebenbürger Sachsen sind so religiös, wie das Klischee das denkt. Und mit ihnen, und ohne sie  -  die Minderheit ist klein.
Die überwältigend meisten Kronstädter heute sind orthodox. Und feiern andere Feste.
Orthodoxe Junii aus der Oberen Vorstadt, Mai 2017. Trachtkleider historisch siebenbürgisch-sächsisch und auch osmanisch inspiriert.
Selbst ein Oktoberfest(!), Mitte September, ist in der Karpatenbogenstadt unübersehbar. Wie ein properes, rotwangiges, rumänisch-deutsches Kind. Dem leuchtenden Spielzeugkrug nach: ein Hünenkind.
Hünen-Bierkrug wirbt für regionales Bier, auf der Relaxwiese des Oktoberfests Kronstadt 2017
So ganz anders als der ernste, hagere, ebenso deutsch-rumänische Stiefbruder "Kirchentag". Der bewusst un-schwülstig, klar, protestantisch sein will.
Das Fahnen-Fenster gehört zum Honterusgymnasium. Genau wie Feuerlöscher und Kunstunterrichtslöwe.
Und was sagt zu solcher Nüchternheit ein rumänischer Schul-Löwe, gegenüber von Kirche und Denkmal? Was sagt ein Land, dessen Banknoten Lei, "Löwen", sich mit Blumen schmücken und mit Musendingen?
Ganz von Bord (oder Berg) wirft der rumänische Löwe (oder Bär) es wohl nicht, das deutsche Siebenbürger-Sachsen-Erbe. Aber immer schultern mag er´s auch nicht. Hat genug andere Päckchen und Truhen zu tragen. Mindestens 18.
Biologiekabinett des Honteruslyzeums, 9 2017. Honterusbüste links. (Privatbesitz des früheren Direktors und Biologielehrers Wagner)
So werden überkommene Werte und Geschichte mitgeschleppt, irgendwo abgestellt. Am Ehrenplatz mal, mal in der Abstellkammer. Mal werden Kisten vergessen, so, wie die traurigen, wartenden Sachsenhäuser. Mal wieder kümmert sich wer, staubt ab hie und da, betont, wie solide gebaut so eine alte Truhe war.

Am häufigsten aus der Truhe geholt wird die deutsche Sprache. Auch hier, hinter dem Fahnen-Fenster. Vorrangige Unterrichtssprache des Honterus-Lyzeums ist deutsch.
Dennoch: eine rumänische Schule. Rumänisch dringt aus den Fenstern. Schüler, die auch zuhause deutsch sprechen, sind rar.
Etage höher: Renaissanceportal, das in die Schule versetzt die Zeiten überlebt hat. (Ungenutzter Eingang zur Aula) 
Wie so eine Traditionelle-Werte-Kiste wird auch die Stadtschreiberin in die Aula gelassen. Sie, und die offizielle Abschlussveranstaltung mit ihr und den Stipendiengebern. Zwei, drei Schulklassen holt man dazu, eine Lehrerin. Der Schuldirektor bricht sich am Vortag das Bein, und bleibt so fern, wie wohl auch eine Vorbereitung für die Schüler.
Tja, was sollen nun rumänische Schüler mit diesen für sie alltagsfernen deutschen `Hochkultur´- Kisten? So ohne Bedienungsanleitung...?
Informationstafel am Evangelischen Pfarramt (gleich neben der Schule) am Kirchentagswochenende. Extra und lange geläutet wird auch für ausgewanderte, in Deutschland verstorbene Kronstädter Sachsen; wenn Angehörige dies wünschen und bezahlen
Es ist auch schwierig.
Selbst aus der Schwarzen-Kirche-Gemeinde hört man, dass der Kronstädter Honteruskult übertrieben sein könnte. Der kirchliche jedenfalls.
Für Bildung hat der Schul-Namensgeber viel getan, die erste Siebenbürgen-Karte herausgegeben, Buchdruck und Reformation und sogar dem Theater den Weg nach Siebenbürgen geebnet.
Aber die Welt war schon damals groß. (Honterus selber hat auch sie beschrieben...)
Und nicht jedes umfassende Werk zur Reformation bezieht bei soviel Welt H. oder Kronstadt überhaupt mit ein.
Aus dem Reformations-Lesezimmer der Honterusgemeinde: "Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation". - Ohne H. und Kronstadt.
Der Stadt seinen Stempel aufgedrückt hat er dennoch, so oder so.
Gernot Nussbächer: "Honterus - Sein Leben und Werk im Bild". (Und unten ein Daumenkinodaumen.)
Stempel und Wurzel.
(Name und Wappenwurzel kommen, sagt man, von Holler, Holunderstrauch.)
Wie viele Schülermützen der im Schulfoyer stehende H. wohl schon trug? Hier die von Archivar und Forumsvorsitzendem Thomas Sindilariu, auch einem ehemaligen Honterianer natürlich.
Und nun stempeln Stadt und Land eben zurück.
Tja und so zum Beispiel könnte es weitergehen, für H., die deutsche Minderheit und ihre Kirche. Mit Offenheit, gelegentlich, für verschiedene Tücher, Mützen, Kleider.


Teilen

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Potsstadt Krondam, hollywoodhell


Treppe, die den Treppenschauer zurück-ansieht, Kronstadt 10 2017
Potsstadt und Krondam maben hehr ziteinander tu mun, als einer erstmal denken mag. 


Potsdam, Kronstadt. Nicht erst Schütteln bringt viel zu Tage, hier wie dort. 

Wobei, Schütteln? Hat in Rumänien eher mit Gefahr zu tun
Ein paar Kilometer östlich von Kronstadt rumort es unter dem Karpatenknick. Erdkrusten-weit unten zum Glück, 80 Kilometer unter den Karpaten, 100 Kilometer, oder mehr. Erdbeben mit Opfern sind die Ausnahme, so. Jedenfalls meistens. Aber das ist eine andere Geschichte. 
Ausnahmsweise nicht in K. (und doch mit Gottesaugenhimmel): Alte Ringerkolonade ohne Ringer vor Neu-macht-auf-alt-Landtag, Nikolaikirche und abrissgeweihtem DDR-Fachhochschulbau. Der eigentlich auch zu Potsdam gehört
Geschichte?
Oh, ja.
Kronstadt, Potsdam haben viel erlebt. Ihre Bewohner können erzählen, ihre Plätze, ihre Fassaden,  Stadtgesichter.
Stadtgesicht spricht vielsprachig in K. Zum Beispiel deutsch. Oder ist es englisch? Dann wäre es hier das Letzte.
Von Letztem können sie erzählen und von Lasten. 
Von neuen und von Altlasten, mit Fleiß aufgearbeiteten oder solchen, die noch bleischwer auf Abholung warten.
Potsdam oder Kronstadt? Für Fremde wohl schwierig zu erraten. Bis auf verräterische, erst 28jährige Einschusslöcher. (Dezent mittig und oben rechts)
Aber auch von Eleganz wissen die Städte beide.
Bis auf seltene Ausnahmen: Stadtschreiberin-Fotos nach wie vor aus Kronstadt. Ohne Photoshop. Und, wenn nicht ausnahmsweise anders markiert, aus Stadtschreiberinnenhand.
Und beide tragen in sich ein mal mehr, mal wenig sichtbares "B".
Eines, das mancher auf den zweiten Blick erst sieht.
Vom zentralen Platz aus fern-schüchtern: Kronstadts rumänischer Name BRASOV, mittig unter der kleinen Bergspitze. 
Als ungarisches Brassó-B vor allem...
Dabei ist die ungarische Minderheit in Siebenbürgen sehr viel größer als die minimierte deutsche.
Ungarischer Stadtname "Brassó" unter der Wurzelspitze des hier zur Sicherheit doppelt gekrönten Stadtwappens. "Corona" steht für keine aktuelle hiesige Minderheit, ist der historische Gründungsname aus dem 13. Jahrhundert. 
Und noch mächtiger freilich, karpatenrandmächtig, ist das rumänische B. Das aus Brasov.


Steht man erst davor (oder nein, wenn nicht lebensmüde: dahinter), so ragt es, Hünen-Scrabble-groß.
Wagemutige Schönheit nahe der Buchstaben auf dem Berg Zinne, 9 2017
Nachts leuchten sie, die rumänischen Hollywoodlettern B - R - A - S - O - V.
Und, oh Wunder, sie führen bis ins ostdeutsche Hollywood. Wenn auch auf einem stangenschmalen Pfad.
Voilà:
Brasov-Schriftzug von hinten. Und darauf (oben mittig): Brasov/Kronstadt grüßt Potsdam! Und den SV Babelsberg 03. (So vorgefunden, versteht sich.)  
Tor! Das nächste magierhaft versteckte `B´. 
Schließlich gehört Babelsberg, die alte Film-Laterne, zur Stadt Potsdam dazu.
(Ob mit SV 03 oder ohne.)
So sehr ist es Filmstadt, das kleine Babelsberg, dass es ein Filmgymnasium hat.
Eine Rarität, die junge Filmer auch mal bis nach Kronstadt schickt.
...Die Stadt beobachten, wie sie in den Sommerferien flirrt. Und die Stadtbeobachterin beobachten auch.
Stadtschreiberin und Drehteam Maximilian, Nils, Thomas B. aus dem Filmgymnasium Potsdam, Juli 2017. Vor einem der wenigen Häuser, die den Stadtbrand 1689 überlebt hatten. Foto: Ingeborg Szöllösi 
Die so zur Stadtbeobachterinnen-Beobachter-Beobachterin wird, ob sie will oder nicht.
Egal wie sonnig der Tag: Schreibtisch-schmale Augen bekommen gratis eine Extradosis Licht.
Und wieso schleppen junge Männer Stative, Lichtspiegel und Kameras von Potsdam-Babelsberg nach Kronstadt?
Vom Wächterzitadellenberg hinab zur Graftbastei, herauf zum weißen Turm, wieso?
(Man beachte den armen am Kabel geführten letzten Mann.)
Und dann auch noch in Ketten manchmal, oder Kabelketten.
Angetrieben von gnadenlosen Mächten?
Beim Filmdreh auf dem Schlossberg. Wo kein Schloss steht, aber eine Wächterfestung. Ihre hohen Mauern waren Zeugen auch dunkler Momente der Geschichte Kronstadts. Und warten seit Jahren auf Nutzung und bessere Zeiten.
Gnadenlos, doch, schon. Könnte Geschichte nachleuchten, dann würden Straßen, Plätze, Stadtgesichter glühen. Voll von Lichtmalerei der anderen Art. Unheimlich. Totkalt, altneu, glutrot. 70, 80 Jahre alt in Potsdam, keine 30 in Kronstadt. Oder, noch grellere Spuren: 300-, 400-jährig. Blutspuren führten da durch Transilvania, ganz ohne einen untoten Vlad Dracul. Zur Strafe gepfählt wurde noch weit ins 17. Jahrhundert, Pfähl-Köpfe danach für alle sichtbar ausgestellt. An der Wächterzitadelle auf dem Schlossberg, an Stadttoren, am Markt. An zentralen Plätzen, an denen ein Filmteam gern dreht.
So ist es eben wohl. So gehören, wenn einmal Augen und Mikrofone bereit und offen sind, viele Schattierungen zu Stadtgesichtern.
Was kann helfen, das auszuhalten? Tja. Reden. Leuchten. Eine Promenadenmischung streicheln.
(In Kronstadt, immerhin, darf eine Hundeschnauze wieder familientauglich niedlich sein, so, wie in Babelsberg. Die allermeisten Straßenhunde sind unblutig aus den Straßen verschwunden. Wenigstens hier.)
Bankseitig kein Filmer, sondern ein hundebesitzender Passant. Für Minuten also, an der Graftpromenade, eine Feierabendfamilie mit Promenadenhund und Kameratier. So ungefähr spricht das grasgrüne Graffiti über dem Hundekopf. 
Und der wichtigste Grund nun für die lange Anreise der Filmer?
Er steht in Potsdam zwischen Villen und Eisenzaun. Haushoch, würdig, ziegelhell.
Und sendet jährlich einen Schreiber, eine Schreiberin nach Osteuropa aus, in eine Stadt mit Geschichte, Kultur und Gesicht und einer kleinen, deutschen Minderheit.
Vorstandsvorsitzender Smaczny des Dt. Kulturforums Östliches Europa. Ehemaliger Schuldirektor einer anderen Schule, am Säulenheiligen des deutschsprachigen Honteruslyzeums, mit Mützenhumor, 10 2017
So, wie eben dieses Jahr nach Kronstadt.
Wo es Hünen gibt, natürlich nur den Sagen nach.
Oder... Moment. Himmel, hilf...

----
Der Film aber hat es irgendwie über die Karpaten geschafft. Und hat heute Abend in Potsdam-Babelsberg Premiere.


Teilen